zeitgleich mit der dunkleren jahreszeit verkrieche ich mich etwas. bin gerade ganz froh, wenn ich meine ruhe hab. habe einiges aus meinem alltag gestrichen, was mich zunehmend gestresst hat.
und etwas sehr eigenartiges passiert: der alkohol wird mir ein bisschen widerlich. soetwas konnte ich mir nicht vorstellen, seit ich dreizehn bin. alkohol hat mir immer geschmeckt und ich kann mich noch genau an meinen ersten altbier-rausch als teenie erinnern, der nur genau so stark war, dass ich ihn ziemlich klasse fand. diesen nächtlichen appelkorn-exzess mit dreizehn in dem unterstellhäuschen im wald, wo am nächsten morgen a's büstenhalter in der kotze lag (wohlgemerkt nicht meine), führ ich mal nicht näher aus. jedenfalls folgten jahrzehnte regelmäßigen angenehmen konsums und geschmacklich bin ich auch recht flexibel, hauptsache herb. süß geht gar nicht. ein frisch gezapftes alt aus der düsseldorfer altstadt schmeckt mir genauso gut wie ein herbes pils, ein trockener rotwein oder (sehr zum ärger des mannes) ein alter single malt whisky. als der mann vor einigen jahren meinte, ob wir denn nicht mal eine alkoholfreie woche einlegen sollten, und ich ihn fragte, ob er noch ganz bei trost sei, fingen wir an, die sache mit der gewohnheit näher zu überdenken. soetwas schadet nicht.
seit sich vor zwei jahren mein freund mike totgesoffen hat, hat sich vieles verändert. ich habe da so eine art frühwarnsystem entwickelt, erkenne einen alkoholiker beim zweimaligen hinsehen, und bin mittlerweile unangenehm offensiv, was das ansprechen dieses tabus angeht. mike hat ausschließlich bier getrunken und ich glaube mit ausnahme seines freundes m glaubten alle, dass man sich mit bier nicht umbringen kann. jeder hat's irgendwie toleriert - alle haben ja getrunken, nur nicht in diesem ausmaß - und die meisten haben nach und nach einfach den kontakt zu ihm reduziert. mir kam da mein umzug gelegen: zwei treffen im jahr und viele telefonate gingen lange gut, und später halfen die brutal ehrlichen gespräche nicht mehr. ehrlich hingesehen fing mike an, uns schon lange vor seinem tod verloren zu gehen: seine wunderbaren eigenschaften wie intellekt, humor, sensibilität und offenheit verwandelten sich in egozentrik, realitätsverlust und nicht enden wollende gesprächswiederholungen. das war ein entsetzlich deprimierender prozess, der vielleicht überhaupt nur zu einem zeitpunkt aufzuhalten gewesen wäre, an dem noch niemand die ernsthaftigkeit des themas begriffen hat. mike hat über zwanzig jahre bestritten, dass er ein problem mit alkohol hat. unser letztes telefonat drei monate vor seinem tod war so hart und "fallenlassend", dass ich ihn danach besorgt fragte, wie er denn jetzt drauf sei. er meinte, ich müsse keine angst haben, er würde sich schon nicht umbringen - worauf ich galgenhumorig antwortete, dann sei es ja gut, ich würde aber sonst selbstverständlich mit roten rosen an seinem grab stehen. das wolle er aber auch hoffen ...
"i will grow up later, just let me live now" - einen warmen gedanken an den selbsternannten peter pan!
ich sehe in meinem umfeld eine menge mehr oder weniger gut funktionierende alkoholiker und fühle mich zunehmend unwohl. dass ich seit einiger zeit viel weniger lust auf ein paar gläser habe, ist die einzig positive begleiterscheinung dabei.
Freitag, 7. November 2008
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2 Kommentare:
m, ich hab selten sowas ehrliches gelesen, das hat mir heute glatt den schlaf geraubt...
tut mir leid - das war nicht beabsichtigt...
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